Stellenbemessung Job-Center

Von der Personalverwaltung hin zu einem Personalmanagement - am Beispiel einer aktuellen Organisationsuntersuchung

Spezialseminar

Eine professionelle Personalplanung und Personalführung gelingt nicht immer, worauf die zunehmenden Überlastungsanzeigen hindeuten. Eine nachhaltige Personalplanung kann nur funktionieren, wenn Stellen- und Bedarfsplanung aufeinander abgestimmt sind. Eine aktuelle Organisationsuntersuchung „Leistungsgewährung in den gemeinsamen Einrichtungen SGB II” zeigt erste Ansätze auf, wie die Stellenbemessung über Fallzahlen mit analytischer Bemessungsmethoden zu abgesicherten Ergebnissen führen kann. Der Bestimmung der Fallzahl im top down Verfahren dürften damit deutliche Grenzen gesetzt sein. Diesem ersten Schritt muss allerdings eine daraufhin abgestimmte Personaleinsatz- und Entwicklungsplanung folgen, um Über- und Unterforderungen sowie eine lähmende Routine zu vermeiden. Weitere Schwerpunkte des Seminars liegen auf einem an der Nachfrage orientierten Personaleinsatz, den hierzu erforderlichen personellen Voraussetzungen und einer Flexibilisierung der Arbeitszeit.

Schwerpunkte:

Was macht den Unterschied zwischen einer Personalverwaltung und einem Personalmanagement aus?

Wie können Stellenbemessung und Personalbedarfsplanung aufeinander abgestimmt werden, um eine angemessene Personalausstattung vor Ort zu gewährleisten?

Welche Gesichtspunkte müssen zur Differenzierung der Fallzahlen vor Ort berücksichtigt werden?

Auf welche Standards und Erfolgsfaktoren kann die Fachbereichsleitung bzw. Geschäftsführung Einfluss nehmen?

Welche Methoden und Techniken der Personalplanung lassen sich für eine nachhaltige und am individuellen Bedarf orientierte Steuerung nutzen?

Beispiel aus der Praxis: kritische Bestandsaufnahme aus der Sicht eines nachhaltigen Personalmanagements, das Ende einer top down festgelegten Fallzahl: was folgt daraus?

Einige Anmerkungen zum Abschlussbericht BearingPoint für die Job Center

Die Herausforderung einer überzeugenden Stellenbedarfs- und Personalbedarfsplanung am Beispiel der Arbeitsverwaltung

Macht Arbeit krank? Wann wird Überlastung zu einem Problem?

In einer Meldung der Süddeutschen von 2013 heißt es: „Die Mitarbeiter des

Jobcenters München klagen über eine massive Überlastung. Sie fordern die Geschäftsführerin des Jobcenters in einem Schreiben auf, `unverzüglich für eine Reduzierung der Arbeitsbelastung zu sorgen´". Im gleichen Sinne meldet der Behördenspiegel im Februar 2015: „Hamburgs Mitarbeiter in den Jobcentern klagen über unzumutbare Arbeitsbedingungen. In einem offenen Brief an Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles und Finanzminister Dr. Wolfgang Schäuble werden die Missstände klar benannt und Abhilfe gefordert... Inzwischen sei die Arbeitsbelastung so hoch, dass Fehler aus Erschöpfung gemacht wurden... Stoppen Sie die fortlaufende qualitative und quantitative Ausweitung an Aufgaben unter ständiger Kürzung der dafür vorhandenen Mittel.“[1]

Was aufhorchen lässt, ist vor allem die Adressierung dieser „Überlastungsanzeige“: Offensichtlich nehmen im Instanzenzug zu viele Verantwortliche die Klagen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit einem Schulterzucken resigniert hin und lassen erkennen, dass ihre Zuständigkeiten und Einflussmöglichkeiten im Instanzenzug begrenzt sind. Auch diese Hilfslosigkeit kann krank machen, vor allem die, die überlastet sind, aber auch die, die etwas verändern wollen, aber wider besseren Wissens fremdbestimmt handeln müssen.

Es gehört zum allseits bekannten Handwerkszeug einer Verwaltung, in solch angespannten Situationen eine Projektgruppe ins Leben zu rufen. Wenn es dadurch gelingt, das Problem besser zu erkennen und vor allem Wege zur Lösung zu finden, kommt dies bei den Betroffenen gut an. Schlecht wäre es, wenn damit nur Zeit gewonnen werden soll, um über die Probleme hinweg zu trösten und das, was getan werden müsste, lediglich durch Aktionismus zu übertünchen. Tatsächlich sind in diesem Kontext die Gegebenheiten in den etwa 300 Job Centern komplexer: Denn das Meinungsspektrum zur Beurteilung der Arbeitsbedingungen ist alles andere als einheitlich. Nicht alle sehen einen Grund zum Klagen. Andererseits klagen andere auch ohne erkennbaren Grund.

Stellenbemessung und Schlüsselzahlen hinterfragen

Wo aber liegt das Problem? Einige vermuten die Wurzeln dieses Dilemma bedingt durch die zentrale Vorgabe von Schlüsselzahlen aufgrund einer summarisch angelegten Stellenbemessung. Der Bund hatte 2009 aus den Erfahrungswerten der Leistungsgewährung (LG) und den kommunalen Erfahrungswerten einen Schlüssel von 1:115 (ohne Bu T) festgelegt. Diese Schlüsselzahl war von Anfang an strittig und wird seit Jahren hinterfragt und intensiv diskutiert. Offensichtlich bildete diese Schlüsselzahl, die auf den Erfahrungswerten zweier unterschiedlicher Verwaltungskulturen (Bund und Kommunalverwaltung) baut und sich zusammensetzt, nicht überall und in jedem Fall die Realität vor Ort wider. Es ist nicht auszuschließen, dass Macht- und Instanzenspiele sowie der Zwang zum Sparen eine sachliche Diskussion und Auseinandersetzung überlagerten.

In den letzten Jahren konnten die Klagen von prominenten Mitspielern etwa der Arbeitgeberverbände und der Personalvertretungen von der Zentralen nicht mehr bagatellisiert und einfach abgetan werden. Gefordert wurde daher eine Untersuchung, die mehr Licht in dieses ständige Ärgernis bringen soll. Der Bund‐Länder‐Ausschuss (BLA) hat daher bereits am 14. November 2012 festgestellt und beschlossen, dass eine Untersuchung zu bedarfsgerechten Orientierungswerten im Bereich der Leistungsgewährung der gemeinsamen Einrichtungen im SGB II erforderlich ist.

Seit Januar 2015 liegt aus der Feder von BearingPoint für die Job Center der Abschlussbericht „Personalbemessung Leistungsgewährung in den gemeinsamen Einrichtungen SGB II“ vor. Gegenüber anderen Verfahren der summarischen und analytischen Stellenbemessung sind in dieser Untersuchung eine Reihe weiterer Aspekte eingeflossen. Vor allem die Methode der Datenerhebung, der Datenauswertung und der Interpretation der Ergebnisse zeigen einige interessante Varianten auf, die über die Arbeitsverwaltung hinausgehend von allgemeinen Interesse sind und daher auch breiter nicht nur in der öffentlichen Verwaltung diskutiert werden sollten.

Zunächst fällt einem der hohe Aufwand einer flächendeckenden Erhebung mit einem hohen Beteiligungsgrad der betroffenen Beschäftigten und der 299 (von knapp über 300) Einrichtungen auf. Bereits die fast 22.000 ausgefüllten umfangreichen Fragebögen stehen beispielhaft für den enormen Aufwand. 80 % der Betroffenen haben sich diesem Fragebogen gestellt. Zuvor wurde mit hohem Aufwand ein Aufgabenkatalog zur Ermittlung des Aufgabenvolumens erarbeitet. Interessant ist auch das Verfahren zum Ermitteln der Jahresarbeitszeit. In einem Abgleich von SOLL Vorgabe und erhobenen IST führen die Interpretationen zur Arbeitskapazität zu interessanten Hinweisen. Auch methodisch lassen sich interessante Varianten einer Cluster-, Regressions- und Varianz- Analyse ausmachen. Interessant ist auch der Versuch, neben dem primären Einstufungsmerkmal „Zeit“ weitere sekundäre Merkmale wie Aspekte der Qualifikation und Arbeitszufriedenheit in die Stellenbemessung einzubeziehen. Bei alledem aber darf nicht übersehen werden, dass die Ergebnisse nur das wiedergeben können, was an Input in diese Untersuchung eingegeben wird. Und hier stellt sich die Frage, nach Vollständigkeit und Gültigkeit der erhobenen Daten in Bezug auf das erklärte Untersuchungsziel.

Interessant und beachtenswert ist weiterhin das Akzeptanzmanagement. Mit beachtlichem Aufwand wurden die Betroffenen über Multiplikatoren auf die Befragung eingestimmt und während der Erhebungsphase begleitet. Hierzu ist ein beachtlicher Aufwand betrieben worden. Interessant wäre zu erfahren, welche Schritte und welcher Aufwand für die Nachbereitung dieser Untersuchung nach Vorliegen des Abschlussberichtetes bislang erfolgte. Denn häufig wird bei vergleichbaren Untersuchungen zwar in die Vorbereitung und Einstimmung zur Absicherung der Befragung viel Zeit und Geld investiert. Damit erreicht man einen hohen Beteiligungsgrad. Doch wer diesen ersten Schritt ernst nimmt und authentisch bleiben will, darf die Nachbereitung nicht vernachlässigen. Wer für die Teilnahme umworben wird und sich dieser Herausforderung gewissenhaft stellt, der will auch mit gleicher Ernsthaftigkeit über die Ergebnisse und die Konsequenzen für die eigene Person informiert werden. Teilnahme und Teilhabe endet nicht mit dem Ausfüllen des Fragebogens. Dazu gehört Information und eine ehrliche Aufwand – Nutzen – Analyse. Ein Abschlussbericht - etwa im Internet - kann diese Nachbereitung nicht ersetzen.

Aufwand – Nutzen

Offensichtlich hat die Arbeitsverwaltung viel Geld in die Hand genommen. Vor allem die Entwicklungskosten für den Aufgabenkatalog, das Akzeptanzmanagement und die indirekten Kosten der Erhebung dürften beachtlich sein.

Bei diesem Aufwand steigen die Erwartungen der Betroffenen ebenso wie der Auftraggeber proportional. Dass diese groß angelegte und aufwändige Untersuchung viel der kostbaren Zeit im Instanzenzug beansprucht, darf nicht überraschen, kann jedoch für die Betroffenen, die ungeduldig auf eine zügige Korrektur ihrer Probleme warten, zu einem Ärgernis werden. Es liegen nun fast drei Jahre zwischen Beschluss einer Untersuchung, Abschlussbericht und Diskussion der Ergebnisse vor, ohne dass sich vor Ort in der Sache etwas Grundsätzliches getan hat.

Für eine Aufwand – Nutzen Analyse sind die vorgegebenen Ziele eine erste Orientierung.

Ziel der Untersuchung (vgl. BearingPoint S. 11) war es wohl u.a.

konkrete Hilfen/ Hinweise für eine nachhaltige und an individuellen Bedarfen orientierte Steuerung der benötigten Personalausstattung zu erarbeiten

Handlungsempfehlungen für eine an Qualität und Rahmenbedingungen orientierte Personalmenge festzulegen

Eine Kernaussage des Abschlussberichtes ist:

„Die Projektergebnisse haben nachgewiesen, dass ein allgemeingültiger Betreuungsschlüssel für die Leistungsgewährung nicht anforderungsgerecht ist. Zugleich zeigen die Projektergebnisse, dass rd. 52% der Aufwandsunterschiede nicht durch bekannte externe Rahmenbedingungen oder organisatorische Regelungen erklärt werden können.“

Daraus folgt lauf Abschlussbericht: „Jede gemeinsame Einrichtung (gE) ist aufzufordern, organisationsinterne Verbesserungspotenziale zu prüfen. Durch gezielte, von den jeweiligen strukturellen Voraussetzungen abhängende, steuernde Maßnahmen könnte Entlastung für die Beschäftigten erreicht und somit der Handlungsbedarf verringert werden. Es wird daher empfohlen, dass diese Zusammenhänge vor Ort in den gE überprüft werden.“

Das nimmt die Geschäftsführer vor Ort in die Pflicht. Aber bekommen sie auch die erforderlichen Mittel an die Hand, um die materiellen Konsequenzen ihrer Analyse folgen zu lassen? Selbst dann kann es doch letztendlich nicht das Ergebnis einer so aufwändigen Untersuchung sein, dass die Probleme nur vor Ort gelöst werden müssen. Folgt man den Gedanken, dass durch die situativen Gegebenheiten (etwa Kunden-bzw. Bürgerstruktur) bei gleicher Aufgabenstruktur sich die Belastung unterschiedlich darstellen, dann lassen sich fünf Handlungsfelder ableiten:

Die Stellenbemessung ist Teil der Personalbedarfsplanung und kann nicht ohne Bezug auf die Personalplanung und die Teilfunktionen Bedarfsplanung, Personaleinsatz und Personalentwicklung gesehen werden. Hier aber stellen sich viele Fragen, die das Gutachten weitgehend unbeantwortet lässt.

Am Beispiel der „Rückstände“ wird an vielen Stellen des Abschlussberichtes deutlich, dass hier ergänzende Wege einer temporär ausgelegten Personalsteuerung angedacht werden müssen. Für das Gelingen dieser situativ angepassten Personaleinsatzplanung muss der Rückgriff auf eine Reihe von wichtigen Bausteinen zurückgegriffen werden. Diesen Problemaufriss spart das Gutachten aus, obgleich genau dies mit Blick auf die Personalmenge gefordert war.

Die Stellenbemessung kann nicht nur der mittleren Bearbeitungszeit und der Fallzahl folgen. Je nach situativen Gegebenheiten sind weitere Kriterien einzubeziehen wie etwa nach örtlichen Gegebenheiten differenziert einzusetzende Ruhezeiten.Bei gleicher Aufgabenstruktur fällt der Stellenbedarf somit unterschiedlich aus. Diese Zusammenhänge lassen sich - und dies ist bei der vorliegenden Untersuchung besonders positiv hervorzuheben – aus vielen Hinweisen des Abschlussberichtes herauslesen. Diese deutlicher beim Namen zu nennen, hätte der Untersuchung gut angestanden.

Um einer schädigenden Dauerbelastung entgegenzuwirken und die Qualität der Leistungen ständig zu verbessern, ist die Personaleinsatzplanung gefordert. Geeignete Führungsinstrumente zur Entschärfung dieser Belastungen und Verbesserung der Qualität lassen sich mit den Begriffen „job rotation“, „job enlargement“ und „job enrichment“ andeuten.

Bei gleicher Aufgabenstruktur ergeben sich auch differenzierende Anforderungsmerkmale – und damit andere Akzentuierungen bei der Personalauswahl und Personalentwicklung- in den sogenannten Schlüsselqualifikationen in Abhebung zur fachlichen Kompetenz.

Zur Methodik und Umsetzung der Erkenntnisse aus der Untersuchung stellen sich weitere Fragen, die in einem Seminar in Rostock weiter zu klären sind:

Wie wird der Stellenbedarf in der Untersuchung ermittelt und welche anderen Alternativen gibt es?

Von der Stellenbedarfsermittlung hin zur Personalbedarfsplanung: Ein weiterer Schritt muss folgen

Techniken zum Ermitteln des Aufgabenvolumens: Wie aussagekräftig ist der Aufgabenkatalog und welche Ergänzungen können Validität und Reliabilität weiter verbessern?

Von der fiktiven Jahresarbeitszeit hin zur Individualisierung der Jahresarbeitszeit: Möglichkeiten und Grenzen

Wie können Aufgabenanalyse und Arbeitszufriedenheit aussagekräftiger miteinander verzahnt werden?

Auf die praktischen Konsequenzen kommt es an: Was kommt auf die Geschäftsführung bei Umsetzung der Empfehlungen zu?

Welche Voraussetzungen müssen im Instanzenzug geschaffen werden?

[1] Fehler wegen Erschöpfung, Behördenspiegel, Februar 2015, S.6.

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